Kultur Adyge - Xabze

„Adyge Xabze“ ist bei den Tscherkessen der Inbegriff für ihre Traditionen und ihre Lebensweise. Es ist ein Ehrenkodex, welches auf  gegenseitiger Achtung und Respektierung basiert und vor allem Verantwortung, Disziplin und Selbstbeherrschung voraussetzt.

Es sind die ungeschriebenen Gesetze der Tscherkessen, die zwar niemals Niedergeschrieben wurden, aber dennoch  in der Vergangenheit ihr Alltagsleben regelten. Nach diesem Kodex wurden Mut, Großzügigkeit und Menschlichkeit  als wichtigste und unabdingbarste Eigenschaften eines Ritters betrachtet, Habgier, drang nach Besitz, Reichtum und die Prahlerei jedoch  als  Schande („Haynape“).

Diesem männlichen ritterlichen ideal,  stand ein besonderes Frauenideal gegenüber: objektiv gesehen war es großer und schlanker Wuchs und charakterlich die Eigenschaft auf anständige, zurückhaltende Art und Weise sich zu geben und zu reden. Ein großer, schlanker Wuchs sollte bei den Mädchen durch ein eng anliegendes Lederkorsett, welches gleichermaßen denn Brustwachstum hemmen sollte, erreicht werden.  Das Wachsen der Brust wurde als Zeichen des Zur-Frau-Werdens akzeptiert.

Die Gastfreundschaft war und ist  bei den Tscherkessen besonders ausgeprägt. Ein Gast war nicht nur ein Gast der Familie sondern immer gleich ein Gast der ganzen Ortschaft und der Sippe. Selbst Feinden gegenüber wurde diese Gastfreundschaft weiterhin als eine heilige Pflicht angesehen. Wenn ein Feind das Haus betrat  wurde auch dieser respektvoll behandelt  und bedient.

Der berühmte Kaukasologe A. Dir schrieb einmal „Der Gast ist wie ein Sklave des Gastgebers“. Mit diesem Satz versucht er zu erklären, dass auch der Gast die Vorschriften der „Chabze“ zu befolgen hat, z.B. durfte  der Gast  demnach  nicht ohne die Erlaubnis seines Gastgebers der „Gast“ einer anderen Familie werden.

Jeder Tscherkesse erhebt sich sobald jemand den Raum betritt, bietet diesem  einen Platz an und redet nur wenn er dazu aufgefordert wird. In  Anwesenheit von Älteren und Frauen ist Rücksicht und Respekt unabdingbar. In Gegenwart von Frauen werden Streitigkeiten unterbunden, bricht eine Frau in eine derartige Situation herein, wird dieser Streit sofort beendet. Auf Wunsch einer Frau versöhnen sich sogar die zerstrittenen Parteien.

Grundstein der tscherkessischen Gesellschaft ist die Eigenschaft eines „Thamades“. Nach allgemeinem Verständis und Gebrauch werden die „älteren“ als „Thamade“ bezeichnet, dieses ist jedoch zu ungenau. Ein „Thamade“ ist auch derjenige,  welcher unabhängig seines Alters, innerhalb einer Hochzeitgesellschaft oder einer anderen Veranstaltung die Verantwortung übernimmt. Vorraussetzung ist jedoch, das dieser Person die Regeln der „Chabze“ bekannt sind.

Die „Adyge Xabze“ hatte eine überragende gesellschaftliche Ordnung erschaffen. Dieser ritterliche Geist zog auch die benachbarten Völker in ihren Bann, so dass auch diese sich  die „Xabze“ aneigneten. Von krimischen Höfen bis zu georgischen Königen wurde die „Chabze“ als adeliges Ideal angenommen. Ihre Kinder sandten sie als Schüler zu  tscherkessischen Erziehern damit auch sie dieses adelige Ideal gelehrt bekommen.

Diese ideale tscherkessische Lebensweise wurde natürlich in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart nicht von jedem angewendet. Die Gesellschaft aber versucht mit größter Sorgfalt ihre Sitten und Traditionen am Leben zu erhalten und zu Leben. Ihr Dasein verdankt die tscherkessische (adygeische) Gesellschaft der ca. tausend jährigen „Adyge Xabze“.

Daß die Tscherkessen und die kaukasischen Völker einen so erhabenen Moralkodex ausgeprägt und bewahrt haben beweist, welchen Stellenwert Menschenwürde und Toleranz für sie haben.

Die Tscherkessen im Kaukasus, aber auch die Tscherkessen in der Diaspora stehen in einer sich globalisierenden Welt, dem Verlust ihrer Kultur gegenüber.

Irfan Genel

Tscherkessischer Kulturverein Köln e.V.


info@tscherkessen-koeln.de  

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